freedom pilsener

Ich saß schnurrbartzwierbelnd in meinem Büro. Nachdem ich vor ein paar Monaten einen gewissen Herrn Hotzenplotz der Polizei übergeben und für einen Herrn Ahab einen weißen Wal zu Tode harpuniert und mit dem stinkenden Kadaver einen nicht unbeträchtlichen Reibach im Lebertrangeschäft gemacht hatte, lag meine Auftragslage eher schlecht. Gelangweilt starrte ich gerade auf die Teile eines Puzzles mit dem Affe-sitzt-sich-mit-Klopapierumwickelnd-auf-dem-Scheißhaus-Motiv und zermatschte nebenbei einen seltenen Schmetterling, der schon den ganzen morgen lieblich um meinen Kopf flatterte, als das Telefon klingelte. Nicht ohne Eigenlob pfiff ich keck zunächst 5 kurze Sekunden zu meinem selbstkomponierten Klingelton, dann hob ich ab. Am Apparat war Deutschland, welches schon seit Monaten einen gewissen Superstar suchte. Das klang nach einem nicht uninteressanten Auftrag, zumal die Miete für meine erst kürzlich gemietete Villa im Neuschwansteinstil längst überfällig war, und die Wurstsalatpreise bei meinem Liebligsmetzger deftig anzuziehen schienen. So erkundigte ich mich zunächst nach der Liquidität meines zukünftigen Kunden und nannte ihm mein nicht eben geringes Honorar. Dann fragte ich ihn nach seiner Identität. Als er mir antwortete, daß auch ich Deutschland sei, fühlte ich mich verarscht und legte auf. Sauer starrte ich auf das von mir mit Vierfarbkugelschreiber perfekt kopiertes Picasso Gemälte, das in meiner Büroecke herumhing, als das Telefon ein weiteres mal vor sich hin dudelte. Sofort wieder mit der Welt versöhnt hob ich ab und trällerte fröhlich meinen Namen in die Sprechmuschel. Wieder war es Deutschland und beteuerte mir doch bitteschön nicht sofort aufzulegen, es wäre metaphorisch und nicht persönlich gemeint gewesen und erklärte sich mit meinen Forderungen einverstanden. Ich stellte die üblichen Fragen. Wo man diesen Superstar das letzte mal gesehen habe, ob es ein Foto gäbe, das man mir überlassen könnte und in welchem Milieu sich das gesuchte Individuum so herumtrieb. Die Angaben meines Klienten waren leider sehr ungenau, was meinen Auftrag nicht gerade leichter machte. Per e-mail sandte mir Deutschland mehrere in Frage kommende Fotos zu; ich stutzte. Anscheinend besaß dieser Superstar eine multiple Persönlichkeit. Mein Hirn begann heißzulaufen. Ich beschloß es in meiner Stammpinte "bei Inge" mit einem kalten Leberwurstsaft abzukühlen und machte mich auf den Weg. Fragen hämmerten auf mich ein. Wer war dieser Superstar, und wo zur Hölle hielt er sich auf? Was war so wichtig an ihm, daß mein Klient Deutschland eine solch immense Summe für seine Suche investierte? Und wer war Deutschland und was verbarg sich hinter dieser doch eher dubiosen Gestalt? Ein Mensch? Ein Volk? mit Sauerkraut gefüllte Fachwerkhäuser oder zu Blasmusik bierkrugschwingende Paragraphenreiter? Was meinte er mit metaphorisch? Doch nicht etwa die gruselige und abstruse Vorstellung das wir alle ein bißchen Deutschland sind? Kalte Schauer begannen mir den Rücken hinunterzulaufen. War der Auftrag eine Nummer zu groß für mich, sollte ich ihn gar wieder abgeben? Ich dachte an meine private Altersvorsorge und an mein Affenpuzzle und beschloß ihn zu behalten. Verdammt. War das nicht typisch Deutsch? Mir dämmerte übles. Ich war ein Deutscher, wie sonst könnte mich die Wichtigkeit trockener Schafe zu solchen Wahnsinnstaten treiben? Ich dachte an den zu jeder Jahreszeit wechselnden Kranz an meiner Bürotür. Die Welt begann sich im Kreis zu drehen. Oder tat sie das nicht schon die ganze Zeit? Ich hatte Angst durchzudrehen. Wenn wir alle Deutschland sind, sind wir dann alle auch Superstars? Suchte ich am Ende nach mir selbst? Endlich bei Inge angekommen, setzte ich mich auf den speziell für mich reservierten und mit einem rot- weiß karrierten Schaumstoffkissen versehenen Barhocker. Mit zwei Fingern gab ich Inge mein Zeichen für das übliche frisch gepresste Wurstgetränk und versank bei schummrigen Licht in schwarzrotgoldne Gedanken. In der Ecke dudelte ein Geldspielautomat "ein Jäger aus Kurpfalz" und mit mir am Tresen saßen die ewig gleichen Gestalten, die bei Inge zum Standbild zu gehören schienen. Es roch nach leckerer Kneipenluft und verbrannter Barbipuppe, welche ich im Aschenbecher vor mir geistesabwesend abfackelte. Dann kramte ich die Fotos aus meiner Trench-coate Tasche und erstarrte. Die Bilder hatten sich verändert. War ich im falschen Film? Psychodelische, paranoide Gedanken breiteten sich in mir aus. Auf den Ausdrucken, die mir Deutschland geschickt hatte, war plötzlich ein Typ mit einem riesigem Afro auf dem Kopf. Seine Sonnenbrille zierten monströße Dollarzeichen und er war gerade dabei sich eine konisch geformte Zigarette anzuzünden. Auf einem anderen grinste er mir hämisch zu, und auf wieder einem anderen reckte er mir seinen furchteinflößenden Mittelfinger entgegen. Doch was mir schließlich meinen Humphry Bogart Hut vom Kopf sprengte und mich in atemlosen Entsetzen gelähmt auf meinem Barhocker einfror, war das vierte Bild: Der Mann mit dem Afro, plötzlich in bunte Neonfarben gehüllt, begann laut und höhnisch zu lachen und mich anzusprechen mit Worten, die in ihrer ‹bernatürlichkeit und Souvernenität nicht zu toppen waren. Die Worte, die er an mich richtete, und die nur ich vernahm, lauteten: "Erst wenn die letzte Show gebookt, die letzte Cd verkauft und die letzte Autogrammkarte von meinem Ghoswriter unterschrieben wurde, werdet ihr festsellen, das Bier nicht aus dem Wasserhahn kommt." Geschockt verließ ich "bei Inge" und trat in eine neblige Nacht. Dampfende Gullideckel und schreiende, Fischköpfe aus Metallmülltoonen ziehende Katzen empfingen mich und bestätigten mein Bild einer kalten Welt. Jonny Freedom; ich hatte einen Namen. Die Jagd konnte beginnen...







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