Ob es bereits reichlich neue Spielarten und Ausprägungen von zeitgenössischem Jazz gibt, bleibt wohl Ansichtssache. Und wie die Antwort auch ausfällt: Oftmals gibt es junge und attraktive Bands, die selbst dem Jazzliebhaber noch etwas Neues bieten können. Zum Beispiel die Newcomer-Formation Schneeweiß und Rosenrot, die einen spannenden Einblick in das experimentierfreudige Schaffen vier junger JazzmusikerInnen gibt. Grenzauslotend bewegen sie sich zwischen Jazz, Pop und Avantgarde.
Die international besetzte Band aus der Schweiz, Deutschland, Schweden und Luxemburg besteht seit vier Jahren. Hier haben sich vier Instrumentalisten gefunden, die sich nicht lange beschnuppern mussten.
Kennengelernt haben sich die Sängerin Lucia Cadotsch und die Pianistin Johanna Borchert während ihres Jazzstudiums an der Universität der Künste in Berlin, wo sie das Duo Schneeweiss & Rosenrot gründeten. Nach zwei Jahren Zusammenspiels mit unterschiedlichen Gastmusikern, sehnten sie sich nach den kompositorischen Orchestrierungsmöglichkeiten einer grösseren Besetzung und fanden in Petter Eldh am Kontrabass und Marc Lohr als Schlagzeuger und Electronic-Künstler geradezu perfekt ergänzende Bandmitglieder.
Wie künstlerisch fruchtbar diese Begegnung sein sollte, konnte man bei zahlreichen internationalen Konzertauftritten an Festivals, Austellungseröffnungen und in Jazzclubs zu hören bekommen. Heute ist die Band hauptsächlich in Berlin und Kopenhagen aktiv.
Die Kompositionen von Schneeweiß und Rosenrot bündeln alle Facetten der vielseitigen Musiker. Das Ensemble versteht es, Text und Musik vielschichtig und sensibel zusammenzuführen und dabei das traditionelle Songformat zu sprengen. Märchenhaft-verspielte Rhythmen, oft ergänzt durch intensive, dynamische Einsätze und Improvisationen, nehmen das Publikum vom ersten Moment an gefangen.
In den Songs finden sich interessante Klänge, Grooves und starke Melodien wieder, die an Björk erinnern. Auch Bezugspunkt zur Leichtigkeit der Musik von Joni Mitchell oder komplexe rhythmische Elemente eines Dave Holland Quintetts lassen sich in ihrer Musik wiederfinden.
Die ausdrucksvolle und klare Stimme von Lucia Cadotsch geht unter die Haut und überrascht mit Experimentierfreude und lautmalerischen Klängen. Johanna Borchert wechselt am Klavier zwischen Nachdenklichkeit und Tastenattacke und wirkt in ihrem Tun manches Mal wie eine Katze vor dem Mausloch - aufmerksam und sofort bereit, zuzugreifen. Elektronisch verfremdete Klaviertöne erweitern das gewohnte Klangspektrum des Flügels, während das virtuose, rhythmische Spiel des Kontrabassisten Petter Eldh und Marc Lohrs kreativer und dezenter Umgang mit dem Computer die breite Soundpalette der Band vervollständigen.
Das Quartett mit Ausnahmecharakter wird man noch öfter hören - nicht zuletzt deshalb, weil die Bavaria Film GmbH den Schneeweiß und Rosenrot - Song „Cykle“ im Kinofilm A96 verwendet hat.